Pivot, Persevere oder einfach mal liegen lassen? Produkte im Wartungsmodus als Lösung für (noch) zu geringe Marktnachfrage.

Ich war kürzlich in einer Bäckerei und hatte dort das RECUP Recycle System gesehen. Eine ähnliche Idee ist bei der Lean Start-up Machine wegen zu geringer Marktnachfrage fallen gelassen worden.

RECUP hat nach eigenen Angaben zu Beginn des Jahres 2019 fast 2000 Partner. Das Unternehmen wurde im September 2016 in Rosenheim gegründet und hat nach einer Testphase in Rosenheim das Angebot auf München und mit den Zusammenschlüssen mit Swap-it und Refill-it eine nationale Abdeckung erreicht.[1]

Was sind mögliche Fehler bei der Suche nach Produkt-/Market Fit, die Produktmanager beachten sollten um die Flinte nicht zu früh in Korn zu werfen?

Fail fast and cheap oder Fail too fast?

Zwei Monate nach dem Start von RECUP in Rosenheim startete auf der Lean Startup Machine 2016 in München das Team „Coffee-to-go“ an um in 3 Tagen ihre Geschäftsidee auszuarbeiten und mit Kunden zu testen. Das Team hatte sich zum Ziel gesetzt eine Lösung gegen die Müllberge an Einwegkaffeebechern zu finden.

Das Experiment Board des Teams sah nach der zweiten Iteration so aus:

Experiment Board nach der zweiten Iteration

Nur 3 von 16 Verbrauchern kümmerte es wirklich, was mit ihren Kaffeebechern passiert. Das Team änderte daraufhin das Kundensegment um zu überprüfen, ob Eigentümer von Cafés eine müllvermeidende Alternative zu den Plastikbechern wünschen. Im Rahmen der Customer Development Interviews mit Coffee-to-go Kaffeetrinkern und Caféeigentümern wurde schnell klar, dass beide Kundensegmente das Problem kennen. Für beide Seiten war die Situation aber nicht drängend genug, um teurere Becher anzubieten oder das eigene Konsumverhalten zu ändern. Aufgrund der mäßigen Nachfrage hat das Team die Idee aufgegeben. Ganz im Sinne von Ash Maurya’s Lean Mantra “Life’s too short to build something nobody wants.”[2]

Die Lean Startup Methoden sollen Gründer, Produktmanager und Business Developer davor bewahren langwierig und teuer Produkte zu bauen, die zu spät am Markt scheitern oder nur sehr langsam durch Lernen am Markt angepasst werden können. Durch schnelle und kostengünstige Experimente mit echten Kunden soll schnell herausgefunden werden, ob man auf dem falschen Weg ist. Dafür werden die verschiedenen Elemente des Business Model verändert, bis die Gründer eine hohe Zuversicht haben, dass ihre Annahmen richtig sind. Am wichtigsten ist das Risiko zu reduzieren, dass sich zu wenig Kunden für das Produkt interessieren oder nicht bereit sind genug Geld zu bezahlen.

Timing und Dranbleiben auf dem Weg Produkt-Market Fit zu finden

In der Rückschau kann man aus dem Beispiel lernen, dass es notwendig sein kann, seine Produktvision länger zu verfolgen und nicht sofort das Kundensegment oder das Produktangebot zu ändern. Vielleicht war der Massenmarkt 2016 noch nicht bereit für die Lösung und erst mit einer stärkeren Berichterstattung über Plastik im Meer und Lebensmitteln, wurden die Kunden mehr sensibilisiert für das Problem. Wahrscheinlich gab es aber bereits damals schon Nischenkunden, die als early adopter das Produkt gerne genutzt hätten.

Abwarten als Markteintrittstrategie

Kevin Rose hatte zu dem Problem einen interessanten Lösungsansatz. Im Product Love Podcast sprach Kevin mit Jake Knapp und Jonathan Courtney über seine gescheiterten Projekte. In vielen Fällen war er schlicht zu früh dran für den Markt. Sein Fazit aus dieser Erfahrung ist, das Produkt nicht einzustampfen und aufzugeben, sondern in eine Art Winterschlaf zu versetzten. Das Produkt wird nicht weiterentwickelt sondern nur mit minimalen Aufwand gewartet. In diesem Dornröschenschlaf verbleibt das Produkt bis sich mehr Nachfrage am Markt entwickelt hat um wieder mehr Fokus und Ressourcen in die Vermarktung und Weiterentwicklung des Produktes zu setzen.[3]

Fazit

Der Lean Start-up Ansatz hilft sehr schnell und günstig Annahmen mit Kunden zu testen. Manchmal reichen wenige Tage, aber meistens wird das Team mehr Zeit und mehr Experimente benötigen.

Bei neuen Produkten und Diensten, die zuerst nur eine Nische ansprechen, ist es bei kleinen Fallzahlen für die Interviews sehr wichtig Kunden aus der early adopter Zielgruppe zu finden. Die Rückmeldungen der late majority verfälschen sonst das Ergebnis.

Wenn das Team der Überzeugung ist, dass das Produkt sinnvoll und nützlich ist, aber der Markt noch nicht weit genug ist, kann es Sinn machen den Fuß vom Gas zu nehmen und das Produkt als pet project nebenher zu betreiben. Im Fall von Software kann man die bestehende Version nur noch warten und bugfixing betreiben und erst dann wieder neue Funktionalitäten einbauen, wenn genug Nachfrage da ist.

Quellen

[1] https://recup.de/ueber-uns

[2] Maurya, Ash (2012): Running Lean: Iterate from Plan A to a Plan That Works (Lean Series) Wiley, 2012

[3] https://www.productbreakfastclub.com/

P.S.

Danke für hilfreiche Gedanken und rege Diskussion im Kreis der Lean Startup Machine Coaches.

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